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  »David!« rief Jordana leise und mit bebender Stimme. »David, ich liebe dich so sehr!«

  Der Wind erstarb, und sie hörten wilde Musik.

  »David — David — David —«, flüsterte Jordana, während sie ihre Lippen an seinen Hals drückte, und auch David wiederholte immer wieder ihren Namen.

  Dann lag Jordana still in seinen Armen, und seine Finger strichen sanft über ihre Lippen, ihre Augen und durch das Haar.

  »Ich bin eine Blume zu Scharon und eine Rose im Thal«, flüsterte Jordana. »Mein Freund antwortet und spricht zu mir: Stehe auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm her! Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist weg und dahin; die Blumen sind hervorgekommen im Lande, der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube läßt sich hören in unserem Lande.«

  Es wurde so still, daß sie ihre Herzen schlagen hören konnten.

  »Mein Freund ist mein, und ich bin sein, der unter den Rosen weidet. Oh, David — sag es mir, sag es mir.«

  David flüsterte, den Mund an ihrem Ohr: »Siehe, meine Freundin, du bist schön! Siehe, schön bist du! Deine Augen sind wie Taubenaugen zwischen deinen Zöpfen. Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die gelagert sind am Berge Gilead herab. Deine Lippen sind wie eine scharlachfarbene Schnur, und deine Rede lieblich. Deine Brüste sind wie zwei junge Rehzwillinge, die unter den Rosen weiden.«

  David und Jordana fielen eng umschlungen in einen glücklichen Schlaf.

  Um vier Uhr morgens wurde das Fleisch der gebratenen Lämmer zerteilt und auf arabische Art mit heißem Kaffee gereicht. Als Ehrengast bekam Kitty die erste Scheibe. Das leidenschaftliche Singen und Tanzen hatte ein wenig nachgelassen; viele lagen Arm in Arm. Das Lamm schmeckte wunderbar.

  Im Licht des niederbrennenden Feuers betrachtete Kitty Fremont die Gesichter in der Runde. Was war das für eine Armee, der diese jungen Leute angehörten? Was für Soldaten waren das, ohne Uniform und Rang? Was war das für ein Heer, in dem die Frauen Seite an Seite mit ihren Männern kämpften? Wer waren sie, diese jungen Löwen von Judäa?

  Sie richtete ihren Blick auf das Gesicht Ari ben Kanaans, und ein Schauder fuhr durch ihren Körper. Wie ein elektrischer Schlag traf sie die Erkenntnis: dies war keine Armee gewöhnlicher Sterblicher! Diese jungen Leute waren die alten Hebräer! Diese Gesichter waren die Gesichter von Dan und Reuben und Juda und Ephraim! Das hier waren Samsons und Deborahs, Joabs und Sauls, Miriams und Davids.

  Es war das Heer Israels, und keine Macht der Welt konnte ihm Einhalt gebieten, denn in diesen Männern und Frauen war die Kraft Gottes!

  VI.

  INSTITUT FÜR INTERNATIONALE BEZIEHUNGEN Chatham-House London Tagelang hatte Cecil Bradshaw, der Experte für die nahöstliche Politik, in seinem Büro in Chatham-House die Berichte verschiedener amtlicher Stellen über die Situation in Palästina studiert, sich Auszüge daraus gemacht und zu einem Ergebnis zu kommen versucht. Das Kolonialamt, das Ministerium und sogar Number 10 Downing-Street erwarteten von ihm einen Vorschlag, was zu tun sei. Das Palästina-Mandat war nunmehr heillos verfahren. Die bisherige englische Politik in Palästina hatte sich als unbrauchbar erwiesen und mußte völlig neu konzipiert werden. Bradshaw war ein Mann mit siebenunddreißigjähriger Erfahrung auf diesem Gebiet. Im Verlauf dieser Zeit hatte er hundert Konferenzen mit den Zionisten und den Arabern gehabt. Wie die meisten Männer der englischen Verwaltung war auch Bradshaw davon überzeugt, das Interesse Englands erfordere es, die Araber bei guter Laune zu halten; immer wieder war es ihm gelungen, die Araber, die mit Drohungen und Erpressungen kamen, zu beschwichtigen. Diesmal waren sie aber ernstlich rebellisch geworden, und die Konferenzen, die im Augenblick in London stattfanden, endeten mit einem Fiasko. Es steht völlig außer Frage, daß Hadsch Amin el Husseini, der Mufti, den Großarabischen Aktionsausschuß in Palästina von seinem Exil in Kairo aus leitet. Jetzt rächt es sich, daß wir es aus Furcht vor religiösen Unruhen unterlassen haben, den Mufti als Kriegsverbrecher anzuklagen. Die Haltung der Araber ist völlig unvernünftig geworden. Sie lehnen es ab, sich mit den Juden an einen Tisch zu setzen, wenn zuvor nicht bestimmte arabische Bedingungen widerspruchslos akzeptiert werden.

  Cecil Bradshaw war dabeigewesen, als der Nahe Osten auf der Konferenz von San Remo zwischen England und Frankreich aufgeteilt worden war, der Mandatsvertrag paraphiert und die Balfour-Deklaration abgegeben wurden. Bradshaw gehörte zu der Politikergruppe, die das halbe Mandatsgebiet genommen und daraus das Königreich Transjordanien gemacht hatte. In all den Jahren, bei

  allen Unruhen des Mufti, hatten sie es nie mit einem Gegner vom Format der Makkabäer zu tun gehabt. Die jüdischen Terroristen kämpften mit angsterregendem Fanatismus.

  Immer wieder haben wir den Jischuw-Zentralrat und die jüdische Bevölkerung aufgefordert, die britischen Behörden bei der Ausschaltung der verbrecherischen Elemente zu unterstützen, die sich Makkabäer nennen. Der Zentralrat behauptete zwar, keine Macht über diese Leute zu haben, und verurteilt offiziell auch ihre Aktionen; es ist jedoch bekannt, daß ein großer Teil der Juden diese verbrecherischen Methoden insgeheim gutheißt. Wir haben in dieser Sache keine Unterstützung bei den Juden gefunden. Die Tätigkeit der Makkabäer hat einen solchen Umfang erreicht, daß wir es für notwendig erachten, alle Engländer, deren Anwesenheit nicht aus dienstlichen Gründen dringend erforderlich ist, und alle englischen Familien aus Palästina zu evakuieren.

  Bradshaw las die Berichte über die zunehmenden Terroraktionen, die das Heilige Land von einem Ende bis zum andern erzittern ließen.

  Außer dem Überfall auf die Raffinerie von Haifa, durch den die Produktion für zwei Wochen lahmgelegt wurde, und dem Überfall auf den Flugplatz Lydda, bei dem eine Staffel Jagdmaschinen zerstört wurde, fanden zehn Überfälle auf englische Wagenkolonnen und fünfzehn auf militärische Anlagen statt. Immer mehr Anzeichen sprechen dafür, daß die Einsatztruppe der Hagana, der Palmach, unruhig wird und an einigen der jüngsten Terroraktionen vielleicht sogar beteiligt war.

  Die kaum noch seetüchtigen, mit verzweifelten Menschen vollgepackten Fahrzeuge der Aliyah Bet brachten Massen von illegalen Einwanderern an die Küsten von Palästina.

  Obwohl die Anzahl der Marineeinheiten, die vor der Küste Patrouillendienst tun, erhöht wurde, hat die Aktivität der Aliyah Bet seit dem Exodus-Zwischenfall merklich zugenommen. Die Amerika, San Miguel, Ulloa, Abril, Susannah und San Filipo haben achttausend illegale Einwanderer aus DP-Lagern in Europa nach Palästina gebracht. Wir haben Grund zu der Annahme, daß es außerdem noch zwei weiteren Schiffen gelungen ist, die Blockade zu durchbrechen und in Palästina zu landen. Aus den Berichten unserer Botschaften und Konsulate in den Mittelmeerländern geht hervor, daß wenigstens fünf weitere Schiffe von der Aliyah Bet erworben wurden und umgebaut werden, um in Kürze den Versuch zu unternehmen, illegale Einwanderer nach Palästina zu bringen.

  Die Engländer hatten in Palästina starke Streitkräfte stationiert. Zweiundfünfzig Teggart-Forts überzogen das kleine Land mit einem dichten Netz von Befestigungsanlagen. Dazu kamen noch Grenzbefestigungen, wie beispielsweise Fort Esther. In jeder Stadt gab es eine aktive Polizeitruppe, und in Transjordanien existierte die starke Arabische Legion. Außer den Teggart-Forts besaßen die Engländer umfangreiche Stützpunkte bei Atlit im Gebiet von Haifa, die Schneller-Kasernen in Jerusalem und das riesige Camp Sarafand außerhalb von Tel Aviv.

  Wir haben im Lauf der letzten Monate die Operationen Noah, Ark, Lobster, Mackerei, Cautious, Lonesome, Octopus, Cantonment und Harp unternommen, um einen beständigen Druck auf den Jischuw auszuüben. Bei diesen Unternehmungen handelt es sich im wesentlichen um eine dauernde Überprüfung der Bevölkerung zur Feststellung illegaler Einwanderer, um Suchaktionen zur Ermittlung illegaler Waffenlager und um Gegenangriffe an Stellen, wo unsere Streitkräfte angegriffen worden waren. Infolge der hundertprozentigen Organisation und Zusammenarbeit aller Juden haben wir mit unseren Maßnahmen jedoch nur geringe Erfolge gehabt. Als Versteck für Waffen dienen Blumenkästen, Aktenschränke, Küchenöfen, Kühlschränke, hohle Tischbeine und tausend andere phantasievoll ausgesuchte Stellen, wodurch eine Beschlagnahme der Waffen so
gut wie unmöglich wird.

  Der Waffentransport erfolgt durch Frauen und Kinder, die sich freiwillig zur Verfügung stellen. Unsere Versuche, jüdische Informanten zu gewinnen, sind gescheitert, während die Juden nicht nur arabische Spione zu kaufen vermochten, sondern ihre Informationen auch von einer Reihe der mit ihnen sympathisierenden Männer im britischen Oberkommando erhalten.

  Nicht nur die Zustände in Palästina machten Bradshaw zu schaffen. Das Problem wurde noch durch andere Faktoren verschärft, die mit dem Mandat an sich gar nichts zu tun hatten. Es stand sehr schlecht um die englische Wirtschaft, und die Menschen in England waren gezwungen, unter harten Entbehrungen zu leben. Die britischen Streitkräfte in Palästina verschlangen riesige Summen. Außerdem waren die Engländer des Blutvergießens überdrüssig. Und auf der weltpolitischen Bühne hatten die amerikanischen Zionisten endgültig das Ohr Trumans gewonnen und besaßen in ihm einen wohlwollenden Verbündeten.

  Seit wir es abgelehnt haben, der Empfehlung des anglo-amerikanischen Ausschusses Folge zu leisten, hunderttausend Juden die Einreise nach Palästina zu gestatten, hat unser Ansehen bei unseren Alliierten sehr gelitten. Gleichfalls schädigend für unser Prestige sind die Demütigungen, die uns die Makkabäer durch ihre Terroraktionen zufügen. Noch nie ist der britischen Autorität so übel mitgespielt worden wie durch die kürzliche Entführung eines britischen Richters, der einen jüdischen Terroristen verurteilt hatte. Cecil Bradshaw nahm seine Hornbrille ab, fuhr sich über die geröteten Augen und schüttelte den Kopf. Was für ein heilloses Chaos! Gamal Husseini, der Neffe des Mufti, war wieder einmal dabei, die arabische Opposition in Palästina auszuschalten, indem er ihre Vertreter umbringen ließ. Die Hagana mit ihrer Aliyah Bet und Akibas Makkabäer hatten unhaltbare Zustände geschaffen. Englische Offiziere waren auf der Straße mit Reitpeitschen geschlagen und englische Soldaten im Zuge von Vergeltungsmaßnahmen gehängt worden. Die Juden, die sich während der zweimaligen blutigen Unruhen vor dem zweiten Weltkrieg Zurückhaltung auferlegt hatten, zeigten den unverschämten Aggressionen der Araber gegenüber jetzt immer weniger Zurückhaltung.

  Im Kreis der Eingeweihten munkelte man, Cecil Bradshaw habe seit der Sache mit der Exodus die Courage verloren, es noch mit den Juden aufzunehmen. Für das Palästina-Mandat schien das Ende zu nahen. Das kleine Land besaß eine Position von ungeheurer wirtschaftlicher und strategischer Bedeutung. Es stellte sozusagen den Angelpunkt des gesamten Britischen Empire dar. Der Flottenstützpunkt und die Raffinerie von Haifa sowie die Nähe des Suezkanals machten es für die Engländer zu einer kategorischen Pflicht, die Stellung in Palästina zu halten.

  Der Summer der Sprechanlage auf Bradshaws Schreibtisch ertönte. »General Tevor-Browne ist da.«

  Bradshaw und Tevor-Browne begrüßten sich kühl. Tevor-Browne war einer der wenigen Beamten, die projüdisch eingestellt waren. Er war es gewesen, der hier in diesem Büro zu Beginn der ExodusAffäre das Ende des Mandats vorausgesagt und dafür plädiert hatte, der Exodus die Genehmigung zum Auslaufen zu erteilen, ehe der Hungerstreik begann. Tevor-Browne hatte stets die Meinung vertreten, daß die Juden und nicht die Araber ein Anrecht auf die Unterstützung der Engländer hätten, weil die Juden im Gegensatz zu den Arabern treue Verbündete waren, auf die man sich verlassen konnte. Er war dafür gewesen, aus Palästina einen jüdischen Staat zu machen, der dem Verband des Commonwealth angehören sollte. Doch weder Bradshaw und seine Kollegen vom Chatham-House noch die Herren vom Kolonialamt waren durch Gedanken, wie General Tevor-Browne sie hatte, in ihrem Kurs zu beirren gewesen. Selbst jetzt hatten sie nicht den Mut, ihren verhängnisvollen Irrtum einzusehen und das Ruder herumzureißen, sondern waren entschlossen, standhaft zu bleiben und notfalls mit unterzugehen. Die Furcht davor, daß die Araber das Öl und den Suezkanal zu Erpressungen verwenden könnten, war stärker als alle andere.

  »Ich habe die Berichte gelesen«, sagte Bradshaw.

  Tevor-Browne zündete sich eine Zigarre an. »Ja, sie sind sehr interessant. Die Juden scheinen ganz offenbar nicht gewillt zu sein, uns zu Gefallen rückwärts ins Meer zu marschieren.«

  Bradshaw, dem die Hab-ich-ja-gleich-gesagt-Haltung des Generals auf die Nerven ging, trommelte mit seinen kurzen dicken Fingern auf die Platte des Schreibtischs. »Ich wollte keine bissigen Anspielungen von Ihnen hören, Sir Clarence. Ich muß in einigen Wochen eine Empfehlung vorlegen. Ich wollte mit Ihnen darüber reden, ob es ratsam ist, Haven-Hurst beizubehalten. Mir scheint, es ist an der Zeit, die Juden etwas schärfer anzufassen.«

  »Wenn Sie das wollen, ist Haven-Hurst durchaus geeignet — es sei denn, Sie wollten sich der Dienste einiger SS-Generäle versichern, die als Kriegsverbrecher im Gefängnis sitzen. Ich darf Sie daran erinnern, daß wir vorläufig in Palästina immer noch eine zivile Verwaltung haben. Es gibt dort schließlich einen Hohen Kommissar.«

  Bradshaw lief dunkelrot an. Obwohl er von Tag zu Tag cholerischer wurde, gelang es ihm, sich zu beherrschen. »Jedenfalls scheint es mir an der Zeit, Haven-Hurst ein bißchen auf Trab zu bringen.« Er reichte Tevor-Browne ein Blatt Papier über den Schreibtisch.

  Es war ein Brief an den Kommandeur der britischen Streitkräfte in Palästina, General Sir Arnold Haven-Hurst. »Die Situation hat ein solches Stadium erreicht, daß ich mich, falls von Ihnen nicht Vorschläge für eine sofortige Stabilisierung gemacht werden können, dazu gezwungen sehe, die Sache vor die UNO zu bringen.«

  »Sehr gut, Bradshaw«, sagte Tevor-Browne. »Ich bin überzeugt, daß Haven-Hurst einige sehr interessante Vorschläge zu machen hat — jedenfalls für jemanden, der gern gruslige Geschichten liest.«

  Kurze Zeit nach der Exodus-Affäre wurde Brigadier Bruce Sutherland unauffällig in den Ruhestand versetzt. Er ging nach Palästina und ließ sich auf dem Berge Kanaan nieder, in der Nähe von Safed, der alten Stadt im Norden von Galiläa.

  Endlich schien es Bruce Sutherland vergönnt, ein wenig Frieden zu finden und sich von den Jahren der Qual zu erholen, die er seit dem Tode seiner Mutter durchlebt hatte. Zum erstenmal konnte er nachts schlafen, ohne von Angstträumen gepeinigt zu werden. Er erwarb auf dem Berge Kanaan eine schöne kleine Villa, drei Meilen vom eigentlichen Safed entfernt. Die Luft war hier besonders rein, und eine beständige frische Brise sorgte dafür, daß die Hitze des Sommers niemals unerträglich wurde.

  Er verbrachte seine Zeit damit, seinen Rosengarten zu bestellen, der als der schönste seiner Art in ganz Palästina galt. Er besuchte die heiligen Stätten, lernte Hebräisch und Arabisch, oder er wanderte auch nur durch das Gewirr der krummen Straßen und Gäßchen von Safed. Er wurde nicht müde, diese faszinierende Stadt zu bestaunen, deren Häuser sich an den Hang schmiegten und deren enge, orientalische Straßen scheinbar ziellos und planlos zu der Akropolis hinaufführten, die den Gipfel des Berges krönte.

  Im Jüdischen Viertel, das etwa den zehnten Teil der Stadt ausmachte, wohnten sehr arme und sehr fromme Juden, die von den geringen Spenden ihrer Glaubensgenossen lebten. Safed war das Zentrum der Kabbala, des jüdischen Mystizismus. Die alten Juden verbrachten ihr Leben mit dem Studium der heiligen Bücher und im Gebet, und sie boten einen ebenso bunten und malerischen Anblick wie die ganze Stadt. In ihren seltsamen orientalischen Kostümen und in den zerfetzten Resten einstmals prächtiger Seidengewänder wandelten sie an den winzigen Läden vorbei, die in langen Reihen nebeneinander lagen. Es waren meist freundliche und friedliche Leutchen; deshalb hatten sie unter den blutigen und grausamen Unruhen des Mufti am meisten zu leiden gehabt, weil sie am wenigsten in der Lage gewesen waren, sich zur Wehr zu setzen.

  Der arabische Teil von Safed enthielt die elenden und halbverfallenen Hütten, wie man sie überall in den von Arabern bewohnten Orten fand. Doch das wunderbare Klima und die landschaftliche Schönheit von Safed hatten auch viele reiche arabische Großgrundbesitzer angelockt, die sich hier prächtige und geräumige Häuser gebaut hatten. Auf dem Berge Kanaan besaßen wohlhabende Juden Häuser und Villen; hier im arabischen Teil von Safed hatten sich zahlreiche vermögende Araber angesiedelt.

  Sutherland hatte bei Juden und Arabern gute Freunde.

  Ein einziger Umstand störte die vo
llkommene Schönheit und Harmonie des landschaftlichen Bildes: das große häßliche Teggart-Fort, das außerhalb von Safed an der Straße stand, die zum Berg Kanaan hinaufführte. Das Fort war von Sutherlands Villa aus zu sehen.

  Sutherland reiste durch das Land nach Norden, um sich den Ruinenberg von Chazor anzusehen, und an der libanesischen Grenze entlang, um die Grabstätte Esthers bei dem nach ihr benannten Fort und Josuas Grab bei Abu Yesha zu besuchen. Bei einem dieser Ausflüge kam er zufällig auch nach Gan Dafna, und hier schloß er Freundschaft mit Dr. Liebermann und Kitty Fremont. Kitty und Sutherland waren sehr froh, die kurze Bekanntschaft, die sie auf Zypern gemacht hatten, erneuern zu können. Sutherland war erfreut, die Kinder patronisieren zu können. Kitty bat ihn, das eine oder andere der Kinder mit schweren seelischen Störungen mitbringen zu dürfen, wenn sie zu Besuch in Sutherlands Villa nach Safed kam. Nach kurzer Zeit verband die beiden eine feste Freundschaft.

  Eines Nachmittags kam Sutherland von Gan Dafna zurück. Er war überrascht, seinen ehemaligen Adjutanten, Major Fred Caldwell, der ihn hier erwartet hatte, im Haus vorzufinden.

  »Seit wann sind Sie denn in Palästina, Freddy?«

  »Erst seit kurzer Zeit.«

  »Und bei welcher Dienststelle sind Sie?«

  »Bei der Kommandantur in Jerusalem, Intelligence Service. Ich bin Verbindungsmann zur CID. Man hat da kürzlich eine Überprüfung vorgenommen. Macht den Eindruck, als hätten ein paar von unseren Jungens mit der Hagana zusammengearbeitet, ja sogar mit den Makkabäern, falls Sie sich das vorstellen können.«

  Sutherland konnte es sich durchaus vorstellen.

  »Mein Besuch bei Ihnen ist übrigens nur teilweise gesellschaftlicher Natur — obwohl ich selbstverständlich ohnehin vorhatte, einmal bei Ihnen vorbeizukommen, um zu sehen, wie es Ihnen geht. General Haven-Hurst hat mich gebeten, mich persönlich mit Ihnen in Verbindung zu setzen, da wir doch schon früher zusammengearbeitet haben.«