Free Novel Read

Exodus Page 43


  In dem angsterfüllten Sommer des Jahres 1939 arbeitete Ari Tag und Nacht. Mitte August bekam er von der Aliyah Bet in Frankreich die dringende Aufforderung, Deutschland sofort zu verlassen. Ari kümmerte sich nicht darum und setzte seine Arbeit fort. Jeder Tag wurde zu einem Wettrennen mit dem Tod.

  Dann erhielt er eine zweite Aufforderung. Diesmal kam sie von der Hagana und enthielt den Befehl zurückzukommen. Ari nahm es auf seine Kappe, nochmals zweiundsiebzig Stunden weiterzuarbeiten, weil er gerade damit beschäftigt war, Ausreisegenehmigungen für mehrere hundert Kinder zu beschaffen, die mit einem Sonderzug nach Dänemark fahren sollten.

  Es kam ein drittes Telegramm und ein viertes. Als der Zug mit den Kindern die dänische Grenze überquerte, machte sich Ari ben Kanaan seinerseits auf die Flucht. Er verließ Deutschland achtundvierzig Stunden, bevor Hitlers Wehrmacht Polen überrollte und den zweiten Weltkrieg einleitete.

  Der Jischuw-Zentralrat war sich bei Kriegsausbruch sofort über den einzuschlagenden Kurs klar. Ben Gurion richtete an die Juden in Palästina die Aufforderung, in die britische Armee einzutreten, um gegen den gemeinsamen Feind zu kämpfen. Diese Aufforderung wurde noch durch die Hagana unterstützt, die hierin eine Möglichkeit erblickte, jüdische Soldaten auf legale Weise auszubilden.

  General Haven-Hurst, der Kommandeur der britischen Streitkräfte in Palästina, meldete beim britischen Kriegsministerium schwere Bedenken dagegen an, Palästina-Juden in die britische Wehrmacht aufzunehmen. »Wenn wir die Juden jetzt ausbilden und ihnen die Möglichkeit geben, Fronterfahrung zu gewinnen, dann setzen wir uns damit nur Läuse in den Pelz, denn mit Sicherheit werden wir eines Tages gegen genau dieselben Juden zu kämpfen haben.« Innerhalb einer Woche nach Ausbruch des Krieges hatten sich hundertdreißigtausend Männer und Frauen — jeder vierte der Juden in Palästina — beim Jischuw-Zentralrat gemeldet, um als Freiwillige in die britische Armee einzutreten.

  Die Araber dagegen warteten darauf, daß die Deutschen als ihre »Befreier« auch nach Palästina kämen.

  Es war für die Engländer ein Ding der Unmöglichkeit, das Angebot der jüdischen Bevölkerung von Palästina zu ignorieren. Aber ebenso unmöglich war es, General Haven-Hursts Warnung in den Wind zu schlagen. Beim Kriegsministerium entschloß man sich daher zu dem Kompromiß, die Juden zwar in das britische Heer aufzunehmen, sie aber nicht an der Front zu verwenden, sondern sie als Transportkolonnen, Pionierbataillone und technische Hilfstruppen einzusetzen. Der Jischuw-Zentralrat protestierte heftig gegen diese Diskriminierung und verlangte für die Juden das Recht, mit der Waffe in der Hand gegen die Deutschen zu kämpfen.

  Die Haltung der jüdischen Bevölkerung von Palästina war einheitlich, mit Ausnahme der Makkabäer, die ihre eigenen Wege gingen. Avidan beschloß, keinen unangebrachten Stolz an den Tag zu legen, und bat Akiba durch eine Reihe geheimer Mittelsmänner um eine Unterredung.

  Die beiden trafen sich in einem Kellerraum von Frankels Restaurant auf der King-George-Straße in Jerusalem. Der Keller war voll von Kisten mit Konserven und Flaschen, die an den Wänden übereinandergestapelt waren. Eine schwache Glühbirne beleuchtete den Raum nur spärlich.

  Als Akiba, von zwei Makkabäern begleitet, hereinkam, gab ihm Avidan nicht die Hand. Fünf lange Jahre waren vergangen, seit sich die beiden Männer das letztemal gesehen hatten. Man sah Akiba an, daß er mehr als sechzig Jahre auf dem Buckel hatte. Die schweren Strapazen des Aufbaus von zwei Kibbuzim und die Jahre des illegalen Daseins hatten einen alten Mann aus ihm gemacht.

  Die Posten der Makkabäer und der Hagana gingen hinaus. Die beiden waren allein und musterten sich schweigend. Schließlich sagte Avidan: »Ich bin hergekommen, um dich zu bitten, mit den Engländern einen Waffenstillstand abzuschließen, bis der Krieg vorbei ist.«

  Akiba brummte böse. Mit scharfen Worten gab er seiner Verachtung für die Engländer und ihre Palästina-Politik und seinem Zorn auf den Zentralrat und die Hagana Ausdruck.

  »Bitte, Akiba«, sagte Avidan, der sich mühsam beherrschte. »Ich verstehe durchaus, was dich bewegt. Ich bin mir auch über die Meinungsverschiedenheiten völlig klar, die zwischen uns bestehen. Doch man mag es ansehen wie man will. Die Deutschen stellen jedenfalls eine wesentlich größere Gefahr für unsere Existenz dar als die Engländer.«

  Akiba wandte Avidan den Rücken. Er stand in dem dunklen Raum und überlegte. Dann drehte er sich plötzlich herum, und in seinen Augen brannte das alte Feuer. »Jetzt ist der Augenblick gekommen«, rief er, »die Engländer dazu zu zwingen, ihre Palästina-Politik zu revidieren! Jetzt — gerade jetzt — sollten wir von den Engländern verlangen, einen jüdischen Staat anzuerkennen, der das Gebiet diesseits und jenseits des Jordan umfaßt! Jetzt! Man muß diese verdammten Engländer schlagen, wenn sie weiche Knie haben!«

  »Ist es für uns so wichtig, ein Staat zu werden, daß wir dieses Ziel selbst um den Preis anstreben sollen, dadurch zum Sieg der Deutschen beizutragen?«

  »Und bildest du dir vielleicht ein, die Engländer würden Bedenken haben, uns abermals zu verraten und zu verkaufen?«

  »Ich bin der Meinung, es gibt für uns nur eins — den Kampf gegen Hitler.«

  Akiba ging wie ein hungriges Tier über den Zementfußboden hin und her. Tränen schossen ihm vor Wut in die Augen. Schließlich sagte er leise und mit bebender Stimme: »Obwohl die Engländer unsere Küste blockieren und verzweifelten Menschen den Zugang verwehren — obwohl die Engländer mit unseren Jungen innerhalb ihrer Armee ein Ghetto einrichten — obwohl sie uns mit ihren letzten Beschlüssen an die Araber verraten haben — obwohl die Juden in Palästina in diesem Krieg ihre besten Kräfte für die Engländer einsetzen, während die Araber wie die Aasgeier dasitzen und nur darauf warten, daß die Engländer zu Boden gehen — trotz allem sind die Engländer nicht die schlimmsten unserer Feinde, und deshalb müssen wir auf ihrer Seite kämpfen. Also gut, Avidan — die Makkabäer werden Waffenstillstand schließen.«

  Akibas Feindlichkeit stand spürbar im Raum, als sich die beiden Männer zum Abschluß die Hände reichten. Dann räusperte sich Akiba und fragte: »Wie geht es meinem Bruder?«

  »Barak ist gerade von London zurückgekommen, wo er Verhandlungen geführt hat.«

  »Ja, Verhandlungen — das sieht Barak ähnlich. Und wie geht es Sara und den Kindern?«

  »Gut«, sagte Avidan. »Auf Ari kannst du stolz sein.«

  »O ja, Ari ist ein prima Bursche. Und wie — wie sieht es jetzt in Ejn Or aus?«

  Avidan senkte den Blick und sagte: »Ejn Or und Schoschana zeugen von der Liebe und dem Schweiß derer, die diese Siedlungen errichtet haben.« Avidan wandte sich und ging auf die Leiter zu, die zu der Falltür hinaufführte.

  »Der Tag, an dem wir mit den Engländern abrechnen, kommt noch!« rief ihm Akiba aus der Dunkelheit des Kellers nach.

  Ari hatte sich verändert. Er war verbittert und verdüstert. Es war schwer, genau festzustellen, was ihn so verändert hatte. Waffen hatte er von früh auf getragen. Dann war die Zeit der Wehrsiedlungen gekommen — Hamischmar — Malcolms Kommandotruppe — die Monate im englischen Gefängnis. Die zermürbende Arbeit für Aliyah Bet in Berlin. Und der Tod von Dafna. Ari lebte in Yad El, arbeitete als Landwirt und wünschte, in Ruhe gelassen zu werden. Er sprach kaum ein Wort.

  Auch als der Krieg ausbrach, blieb Ari in Yad El. Seine freie Zeit verbrachte er größtenteils in Abu Yesha bei seinem Jugendfreund Taha, dem jetzigen Muktar des Dorfes.

  Mehrere Monate nach Kriegsausbruch fand Ari eines Abends, als er von der Feldarbeit zurückkam, Avidan vor, der erschienen war, um mit Ari zu sprechen. Nach dem Abendessen zogen sich Ari, Avidan und Barak in das Wohnzimmer zurück.

  »Ich nehme an, du weißt, weshalb ich hergekommen bin«, sagte Avidan.

  »Ich kann es mir denken.«

  »Ich will mich nicht lange bei der Vorrede aufhalten. Es gibt ein paar Dutzend von unseren Jungen, von denen wir wünschen, daß sie in das englische Heer eintreten. Die Engländer haben sich wiederholt mit uns in Verbindung gesetzt und angefragt, ob du nicht mitmachen willst. Sie sind bereit, dir ein Offizierspatent zu geben.«

  »Interessiert mich nicht.«r />
  »Die Engländer legen aber großen Wert auf dich, Ari. Ich bin überzeugt, daß wir dich an einen Posten setzen könnten — beispielsweise als Abwehrmann für die arabischen Gebiete — wo du auch für die Hagana von großem Wert wärest.«

  »Das ist außerordentlich freundlich. Ich hatte schon gedacht, ich sollte zusammen mit den übrigen Jischuw-Truppen zum Müllabladen eingesetzt werden. Es tut gut, zu wissen, daß ich zu den besseren Juden gehöre!«

  »Bitte zwinge mich nicht, dir einen dienstlichen Befehl zu erteilen.« »Du könntest unter Umständen eine Überraschung erleben, wenn du das tust.«

  Avidan, der auf eiserne Disziplin hielt, war fassungslos. Ari ben Kanaan war einer der zuverlässigsten und willigsten Soldaten der Hagana gewesen.

  »Ich bin froh, daß die Sache endlich einmal zur Sprache gekommen ist«, sagte Barak. »Seit der Junge aus Berlin zurück ist, hat er seinen Kummer in sich hineingefressen.«

  »Hör mal, Ari«, sagte Avidan, »ich fürchte, wir werden darauf bestehen müssen, daß du dich meldest.«

  »Warum sollte ich eine englische Uniform anziehen? Damit sie mich ein zweites Mal ins Gefängnis werfen als Dank dafür, daß ich für sie gekämpft habe?«

  Barak hob beschwörend die Hände.

  »Also gut, Vater — wenn du willst, daß wir offen darüber reden. Vor fünf Jahren hatte Onkel Akiba den Mut, den Namen unseres Feindes zu nennen.«

  »Du hast diesen Namen in diesem Hause nicht zu erwähnen!« sagte Barak laut und wütend.

  »Es wird allmählich Zeit, daß er hier erwähnt wird. Wenn ich nicht selbst zu den Makkabäern gegangen bin, dann nur, weil ich dich nicht kränken wollte.«

  »Aber, hör mal, Ari«, sagte Avidan, »selbst Akiba und die Makkabäer haben mit den Engländern Waffenstillstand geschlossen.«

  Ari stand auf und ging zur Tür. »Ich bin bei Taha und spiele Puff. Ruft mich, wenn die Deutschen einmarschieren.«

  Selbst als der Jischuw all seine Energie aufbot, um die britischen Kriegsbemühungen zu unterstützen, war er noch immer gezwungen, Entwürdigungen durch die Engländer hinzunehmen. Eine Reihe entsetzlicher Zwischenfälle begann sogar diejenigen Juden aufzuwühlen, die bisher noch an die sprichwörtliche britische Fairneß geglaubt hatten.

  Ein winziges, kaum fünfzehn Meter langes Donauschiff namens Struma war vor Istanbul aufgetaucht. Es hatte achthundert Juden an Bord, die aus Europa entkommen wollten. Der Dampfer war seeuntüchtig und die Menschen auf ihm in größter Bedrängnis.

  Fast kniefällig bat der Jischuw-Zentralrat die Engländer um die erforderliche Einreisegenehmigung, doch die Engländer lehnten ab. Nicht genug damit, wurde die türkische Regierung von ihnen unter schärfsten diplomatischen Druck gesetzt, die Struma zur Räumung der Gewässer um Istanbul zu veranlassen. Türkische Polizei kam an Bord, schleppte die Struma durch den Bosporus und ließ das leichte Flußschiff im Schwarzen Meer treiben, ohne Nahrung, ohne Wasser, ohne Brennstoff. Die Struma erlitt Schiffbruch, und 799 Menschen kamen ums Leben. Nur einer wurde gerettet.

  Vom Seegang arg mitgenommen, hatten zwei andere Dampfer mit zweitausend Flüchtlingen an Bord endlich die Gewässer vor Palästina erreicht, doch die Engländer ließen sie nicht landen. Statt dessen schafften sie die Flüchtlinge auf die Patria, die sie nach Mauritius, eine östlich von Afrika gelegene Insel, bringen sollte. Auf der Höhe von Haifa, noch in Sichtweite der palästinischen Küste, erlitt auch die Patria Schiffbruch, und hundert Flüchtlinge fanden den Tod.

  Und so ging es weiter. Die Engländer hielten an ihrem Weißbuch fest; denn die Araber durften nicht aufgebracht werden.

  Der Krieg entwickelte sich für die Engländer sehr schlecht. Gegen Ende des Jahres 1941 hatten die Juden von Palästina ihren Weg zur kämpfenden Truppe gemacht, trotz der Warnung General Haven-Hursts. Denn die Engländer befanden sich in verzweifelter Lage, und von den Arabern bekamen sie nicht einen Mann. Während die Araber untätig dasaßen, trugen fünfzigtausend Juden der Jischuw-Elite britische Uniformen.

  Nach dem Zusammenbruch Westeuropas warteten die deutschen Truppen am Ärmelkanal auf den Befehl zur Invasion. England kämpfte mit dem Rücken zur Wand.

  Wie einst die Engländer das Reich der Ottomanen untergraben hatten, so schickten sich jetzt die Deutschen an, das Britische Empire zu unterhöhlen. Rommels starkes Afrikakorps setzte zu einer Reihe von Schlägen an, die die Engländer aus dem Nahen Osten vertreiben und den Weg zum Orient und nach Indien öffnen sollte.

  Hadsch Amin el Husseini ging, auf der Suche nach grüneren Weiden, aus dem Libanon fort. Er landete in Bagdad, im Staate Irak, der dem Namen nach ein Verbündeter der Engländer war; aber wirklich nur dem Namen nach.

  In Bagdad wurde Hadsch Amin als Märtyrer für die Sache des Islam begrüßt. Gemeinsam mit einer Reihe irakischer Offiziere inszenierte er eine Revolte, um das Land den Deutschen in die Hände zu spielen. Mit knapper Not konnten die Engländer das Gelingen dieses Planes in letzter Minute verhindern.

  Hadsch Amin begab sich von neuem auf die Flucht. Diesmal fuhr er nach Deutschland, wo ihn Adolf Hitler persönlich als brüderlichen Freund begrüßte. Die beiden Irren verbanden sich miteinander zu beiderseitigem Nutzen. Der Mufti erblickte in den militärischen Plänen der Deutschen eine neue Chance für sich selbst, die Macht über die ganze arabische Welt zu gewinnen. Hitler brauchte den Mufti, um zu demonstrieren, welche warme und herzliche Freundschaft zwischen einem Araber und einem Deutschen möglich war. Als Propagandist der Nazis hielt Hadsch Amin von Berlin aus an alle Araber eine Ansprache nach der anderen. Alle Araber schienen den Worten des Mufti aufmerksam zu lauschen. Syrien und der Libanon waren in der Hand der Vichy-Regierung, und in Massen kam aus Deutschland alles heran, was zur Vorbereitung einer Invasion in Palästina und Ägypten erforderlich war. Der ägyptische Generalstab verkaufte den Deutschen Kriegsgeheimnisse. König Faruk von Ägypten weigerte sich, den Engländern auch nur einen einzigen Soldaten zur Verfügung zu stellen, um Ägypten gegen Rommel zu verteidigen. Im Irak wurden weitere Komplotte ausgeheckt.

  Der einzige treue Freund der Alliierten war der alte Despot Ibn Saud, der mit amerikanischen Dollars gekauft worden war. Doch für die britische Achte Armee, die um ihr Leben kämpfte, hatte Ibn Saud nicht einmal ein einziges Kamel übrig.

  Im ganzen Nahen Osten hatten die Alliierten nur einen wirklichen Freund, der Seite an Seite mit ihnen kämpfte — die jüdische Bevölkerung von Palästina!

  Rommel, von Stolz geschwellt über den Sieg in Libyen, war zum Durchbruch nach Alexandria angetreten, wo die Einwohner bereits deutsche Fahnen nähten, um die »Befreier« gebührend begrüßen zu können.

  In Rußland stand die deutsche Wehrmacht vor den Toren von Stalingrad! Es war die dunkelste Stunde der Alliierten.

  Die Deutschen hatten es in erster Linie auf den Suez-Kanal abgesehen, auf Ägypten und Palästina — den Solarplexus des Britischen Imperiums. Ein Durchbruch bei Stalingrad konnte die andere Seite einer Zange ergeben, die über den Kaukasus griff und die Tür nach Indien und dem Orient öffnete.

  Schließlich kamen die Engländer zum Jischuw-Zentralrat und baten die Juden, Guerilla-Einheiten zu bilden, um den Rückzug der Engländer zu decken und der deutschen Besatzungsmacht Schwierigkeiten zu verursachen. Diese Guerilla-Truppe erhielt den Namen Palmach und sollte sich zur aktiven Elite der Hagana entwickeln. Eines Abends, als sich die Familie gerade zum Essen setzte, teilte Ari ben Kanaan beiläufig mit: »Ich bin heute in das britische Heer eingetreten.«

  Am nächsten Tag meldete sich Ari zum Dienst im Kibbuz Beth Alonim, wo sich junge Männer und Frauen aus ganz Palästina versammelt hatten, um den Palmach zu bilden.

  XVIII.

  Beth Alonim lag in der Mitte des Jesreel-Tales, am Fuße des Berges Tabor. Die Engländer gaben Ari ein Offizierspatent in der britischen Armee und übertrugen ihm das Kommando über die Operationen der Guerilla-Einheiten. Diese Einheiten bestanden aus jungen Männern und Mädchen, von denen die meisten noch keine Zwanzig waren. Die Offiziere gehörten größtenteils zur »Alten Garde« und waren, genau wie Ari, Mitte Zwanzig.

  Viele ehemalige Angehörige der Kommandot
ruppe traten in den Palmach ein, um die jungen Leute in der Kriegführung auszubilden, die sie von Major P. P. Malcolm gelernt hatten. Der Palmach trug keine Uniformen; im Mannschaftsstand gab es keine Rangunterschiede; und die Mädchen wurden genauso behandelt wie die jungen Männer.

  Zwei der Soldaten zeigten so hervorragende Fähigkeiten, daß Ari sie zu Einheitsführern und zu seinen unmittelbaren Stellvertretern ernannte. Der eine war ein vierschrötiger Siedler aus Galiläa. Sein Name war Seew Gilboa. Er trug den mächtigen schwarzen Schnurrbart, der später das Kennzeichen eines männlichen PalmachAngehörigen werden sollte. Der andere war ein schmalgliedriger, feinnerviger Student aus Jerusalem namens David ben Ami. Beide waren noch keine Zwanzig.

  Eines Tages kam General Haven-Hurst zu Besuch. Haven-Hurst war ein schlanker, blonder Mann von etwas über Fünfzig. Während er das Lager inspizierte, spürte er die kühle Ablehnung, mit der die Palmach-Leute seine Anwesenheit zur Kenntnis nahmen. Haven-Hurst bat Ari, sich im Anschluß an die Inspektion im Dienstzimmer des Lagers bei ihm zu melden.

  Als Ari den Raum betrat, begrüßten sich die beiden Männer mit einem steifen Nicken, und keiner von ihnen machte einen Hehl daraus, wie wenig er für den anderen übrig hatte.

  »Nehmen Sie Platz, Leutnant Ben Kanaan«, sagte Haven-Hurst. »Ich muß Ihnen mein Kompliment über Ihre Arbeit hier mit dieser Palmach-Truppe machen.«

  »Danke, Sir.«

  »Der eigentliche Anlaß meines heutigen Kommens war, Sie zu fragen, ob Sie bereit wären, einen Sonderauftrag zu übernehmen. Ich weiß, daß Sie in das britische Heer unter der Voraussetzung eingetreten sind, daß man Ihnen die Ausbildung der PalmachTruppen anvertraut; doch wir sind der Meinung, daß es sich hier um eine so vordringliche Sache handelt, daß Sie bereit sein sollten, von diesem Vorbehalt abzugehen.«