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  Der kahlköpfige Führer der jüdischen Schutzwehr entfaltete eine Karte und zeigte mit dem Finger auf die neuerworbene Parzelle. Die Bedeutung dieser Stelle für die Fortführung der arabischen Revolte war offensichtlich.

  »Ich möchte, daß ihr drei das Kommando einer Einheit übernehmt, die sich auf dieses Stück Land begibt und dort einen Kibbuz errichtet. Wir werden mit Sorgfalt achtzig unserer besten Männer und zwanzig Frauen auswählen, die mit euch gehen. Ich brauche euch nicht zu erklären, was ihr zu erwarten habt.«

  Die drei nickten stumm.

  »Wir sind uns darüber klar, daß der Mufti alles daran setzen wird, um euch von dort zu vertreiben. Es ist das erstemal, daß wir eine Stelle für die Errichtung eines Kibbuz unter dem Gesichtspunkt seiner strategischen Bedeutung ausgesucht haben.«

  Sara ben Kanaan preßte es das Herz zusammen, als sie von der neuen Aufgabe ihres Sohnes erfuhr. Seit Jahren hatte sie Ari nicht mehr ohne Ochsenziemer oder Gewehr in der Hand gesehen. Doch nun hatte sie zum ersten Male Angst, wie sie sie bisher nie gekannt hatte. Jetzt wurde er also mit hundert der besten Leute des Jischuw auf ein Selbstmordkommando geschickt.

  Ari küßte seine Mutter und sagte, indem er ihr behutsam die Tränen aus dem Gesicht wischte, daß alles in Ordnung gehen werde und sie sich keine Sorgen machen sollte. Seinem Vater schüttelte er nur die Hand. Ihm brauchte er nichts zu sagen; sie verstanden sich auch ohne Worte.

  Dafna kam und verabschiedete sich gleichfalls.

  Gemeinsam verließen sie Yad El. Nur einen kurzen Blick warfen sie zurück, auf die Felder und auf die Freunde, die zu ihrer Verabschiedung gekommen waren. Barak seufzte und legte seinen Arm um Saras Schulter, als das junge Paar ihrem Blick zu entschwinden begann.

  »Sie haben so wenig von ihrem Leben«, sagte Sara. »Wie oft werden wir ihn noch hergeben müssen?«

  Barak schüttelte den Kopf, während sich seine Augen anstrengten, seinen Sohn und Dafna noch mit einem letzten Blick zu erhaschen. »Gott hat von Abraham gefordert, daß er Ihm seinen Sohn zum Opfer bringe. Das ist der Schatten, in dem wir leben. Wir müssen Ari so oft hergeben, wie Gott ihn will.«

  Hundert der besten jungen Männer und Frauen des Jischuw zogen hinaus an die libanesische Grenze, um Dieben und Mördern den Weg zu versperren. Ari ben Kanaan, zweiundzwanzig Jahre alt, war stellvertretender Kommandeur.

  Sie gaben dem neu zu errichtenden Kibbuz den Namen Hamischmar — der Wachtposten.

  XVI.

  Zehn Lastwagen, die hundert junge Männer und Frauen der Hagana und ihre Ausrüstung geladen hatten, fuhren rasch die Küsten-Straße entlang, an der letzten jüdischen Siedlung Naharia im Norden von Galiläa vorbei und tief hinein in ein Gebiet, in das sich bis dahin Juden noch nie vorgewagt hatten. Tausende arabische Augenpaare sahen gespannt der Wagenkolonne nach, die hinein in das Vorgebirge unterhalb des Teggart-Walls und hinaus zu den Bergen an der libanesischen Grenze fuhr.

  Sie hielten an, stellten Wachen aus und entluden rasch die Wagen, die eilig zurückfuhren, um vor Einbruch der Dunkelheit wieder in Naharia den Schutz der befestigten Siedlungen zu erreichen. Die hundert jungen Leute waren allein. Die Höhen und Täler vor ihnen wimmelten von arabischen Marodeuren. Hinter ihnen lag ein Dutzend feindlicher arabischer Ortschaften. Die Hundert errichteten eine kleine Palisade, gruben sich ein und warteten auf das Ende der Nacht.

  Als es Morgen wurde, war die Kunde von Hebron bis nach Beirut gedrungen: Die Juden sind in die Berge gezogen! Der Mufti in Beirut tobte. Das war eine offene Herausforderung. Er schwor beim Barte des Propheten, diese Juden ins Meer zu werfen.

  Die hundert Männer und Frauen der Hagana arbeiteten die nächsten Tage fieberhaft am Ausbau der Stellung zur Verteidigung des Ausgangslagers am Fuß des Berges, um für den Angriff, der kommen mußte, gerüstet zu sein. Jede Nacht fielen Dafna und Ari,wenn sie nicht Wache hatten, Arm in Arm in einen Schlaf tiefer Erschöpfung.

  In der vierten Nacht kam der Angriff! Es war ein Angriff, wie ihn die Juden noch nie erlebt hatten. Vom Gipfel des Berges aus überschütteten tausend arabische Gewehrschützen, unterstützt von Maschinengewehren, fünf Stunden lang die Stellung der Juden mit pausenlosem Feuer. Zum erstenmal verwendeten die Araber auch Granatwerfer. Ari und seine Leute lagen geduckt in ihren Gräben und warteten darauf, daß die Araber einen Sturmangriff versuchten. Sie warteten, bis die Araber flach über die Erde herangekrochen kamen, mit Messern zwischen den Zähnen. Plötzlich leuchteten hinter der Palisade ein halbes Dutzend Scheinwerfer auf und strichen mit ihren Lichtkegeln über das Vorfeld. Die Juden eröffneten das Feuer auf den Gegner, der schon nahe herangekommen war, und töteten mit dem ersten Feuerstoß sechzig Araber.

  Die Angreifer waren vor Furcht gelähmt. Ari ging mit der Hälfte seiner Leute zum Gegenangriff vor, und bald war das Schlachtfeld von toten und verwundeten Arabern übersät. Die übrigen flohen laut schreiend zurück.

  Eine Woche lang unternahmen die Araber keinen neuen Angriff. Der Mufti und Kawuky waren machtlos. Weder durch Drohungen noch durch Versprechungen waren die Araber dazu zu bringen, erneut anzugreifen.

  Bei dem ersten Angriff verlor die Hagana drei Jungen und ein Mädchen. Einer der Gefallenen war der Kommandeur. Ari ben Kanaan übernahm an seiner Stelle das Kommando.

  Jeden Tag rückten die Hagana-Leute ein paar Meter weiter den Hang hinauf, gruben sich ein und erwarteten das Ende der Nacht. Die Araber beobachteten sie aus ihren Stellungen oben am Berg, unternahmen aber, solange es hell war, niemals einen Angriff. Nach einer Woche konnte Ari das Ausgangslager am Fuße des Berges abbrechen, da inzwischen ein neues Lager auf halbem Hang aufgeschlagen worden war.

  Den Arabern saß die Lektion der ersten Nacht noch in den Knochen. Sie versuchten nicht mehr, das Lager zu stürmen, sondern begnügten sich damit, es aus der Entfernung zu beschießen.

  Während die Araber weiterhin unentschlossen waren, beschloß Ari, eine Offensive zu starten. Gegen Ende der zweiten Woche schlug er kurz vor Tagesanbruch zu. Er wartete ab, bis die Araber, die die ganze Nacht hindurch geschossen hatten, müde waren und nicht mehr so wachsam Ausschau hielten. Mit fünfundzwanzig seiner besten Männer und zehn Frauen ging er bei Morgengrauen zu einem Angriff vor, der die schläfrigen Araber vom Gipfel des Berges vertrieb. Die Juden gruben sich in aller Eile ein, während sich die Araber von ihrem Schreck erholten und zum Gegenangriff sammelten. Ari verlor fünf Soldaten, doch er hielt die Stellung. Rasch baute er einen befestigten Beobachtungsposten auf der Spitze des Berges aus, der einen Überblick über das gesamte Gebiet gewährte. Als es hell geworden war, arbeiteten sie fieberhaft daran, ihre hastig ausgehobene erste Stellung zu einer Festung auszubauen.

  Der Mufti tobte! Er wechselte die Anführer aus und stellte nochmals eine Streitmacht von tausend Mann auf. Die Araber griffen an, doch sobald sie an Aris Stellung herankamen, blieb der Angriff liegen, und die Angreifer flohen. Zum erstenmal beherrschten die Juden eine Gipfelstellung, und sie waren entschlossen, sich daraus nicht wieder vertreiben zu lassen!

  Wenn sich die Araber auch nicht auf einen Nahkampf einlassen wollten, so bemühten sie sich doch, den Juden das Leben so schwer wie möglich zu machen. Ari und seine Leute lagen unter beständigem Beschuß und waren völlig isoliert. Die nächste jüdische Siedlung war Naharia. Der gesamte Nachschub einschließlich des Wassers mußte auf Lastwagen durch feindliches Gebiet herangebracht werden. War das glücklich gelungen, dann mußten Aris Leute alles den Hang hinauftragen. Doch Hamischmar hielt ungeachtet aller Schwierigkeiten und Strapazen stand. Im Schutz der Palisade hatte man ein paar behelfsmäßige Hütten errichtet und mit dem Bau einer Straße zum Fuße des Berges begonnen. Nachts patrouillierte Ari mit seinen Leuten am Teggart-Wall, um illegale Grenzgänger und Waffenschmuggler zu schnappen. Den Rebellen des Mufti wurde der heimliche Zugang, durch den sie bisher nach Palästina eingesickert waren, versperrt.

  Aris Leute kamen zu neunzig Prozent von einem Kibbuz oder Moschaw. Die Erschließung und Bearbeitung des Landes war ihnen so in Fleisch und Blut übergegangen, daß sie nicht lange an irgendeiner Stelle sein konnten, ohne zu versuchen, irgend etwas anzubauen. Sie fingen an, auch in
Hamischmar den Boden zu bestellen! Sie waren unter dem Vorwand hergekommen, einen Kibbuz zu errichten, und bei Gott, jetzt wollten sie aus Hamischmar auch wirklich einen Kibbuz machen. Die landwirtschaftliche Bearbeitung eines Berghanges war für sie etwas völlig Neues, und besonders schwierig war sie an einer Stelle, wo es bis auf die seltenen Regenfälle keinerlei natürliche Bewässerung gab. Doch sie machten sich auch an diese Aufgabe mit dem gleichen Schwung, mit dem sie die Sümpfe des Jesreel-Tals und die ausgetrocknete und verwitterte Ebene von Scharon wieder urbar gemacht hatten. Sie legten an den Hängen Terrassen an und baten die Zionistische Siedlungsgesellschaft um Geld zum Ankauf von landwirtschaftlichen Geräten.

  Der Jischuw-Zentralrat und die Führer der Hagana waren so begeistert über den Erfolg der hartnäckigen jungen Leute von Hamischmar, daß sie beschlossen, auch künftig einzelne Neusiedlungen an Punkten zu errichten, die von strategischer Bedeutung für die Abwürgung der arabischen Rebellion waren.

  Eines Nachts lag Ari in seinem Zelt und schlief fest, als ihn jemand wachrüttelte.

  »Komm, Ari, rasch!«

  Er warf seine Decke ab, nahm sein Gewehr und rannte hinter den anderen her zu den südlichen Feldern, auf denen gerade Terrassen zum Anbau von Wein angelegt wurden. Dort stand eine Gruppe aufgeregt herum. Alle verstummten, als sie Ari herankommen sahen. Er drängte sich hindurch und starrte auf die Erde. Sie war voll Blut. Fetzen einer blauen Bluse lagen am Boden. Eine blutige Spur führte von der Stelle in die Berge. Ari sah die Umstehenden an. Keiner sagte etwas.

  »Dafna«, sagte Ari tonlos.

  Zwei Tage später fanden sie ihre Leiche. Man hatte ihr die Hände abgehackt, Nase und Ohren abgeschnitten und die Augen ausgestochen.

  Niemand sah Ari ben Kanaan eine Träne vergießen. Von Zeit zu Zeit verschwand er für mehrere Stunden. Er kam mit bleichem Gesicht zurück. Doch er zeigte weder Trauer noch Haß, nicht einmal Wut. Er erwähnte ihren Namen nie mehr.

  Ein halbes Dutzend arabischer Ortschaften in der Nähe von Hamischmar wartete voller Angst auf einen Vergeltungsangriff. Doch er erfolgte nicht. Ari ben Kanaan war durch und durch Soldat. Die Juden in Hamischmar und einem halben Dutzend anderer Neusiedlungen, die gleichfalls an strategisch wichtigen Punkten errichtet waren, hielten stand. Die neue Taktik beeinträchtigte zwar die Revolte des Mufti, konnte sie aber nicht unterbinden.

  In dieses Durcheinander kam ein englischer Major namens P. P. Malcolm.

  Major P. P. Malcolm war bei Ausbruch der Revolte des Mufti zum Intelligence Service in Jerusalem versetzt worden. Er war ein Einzelgänger. P. P. gab wenig auf sein Äußeres und nichts auf militärische Tradition. Er hielt Förmlichkeit für etwas Lächerliches. Er konnte seine Ansichten unverhohlen und notfalls mit größter Schärfe äußern, aber er konnte auch tagelang tief in Gedanken versinken; dann kam es vor, daß er sich weder rasierte noch kämmte. Er hatte eine sehr scharfe Zunge und verfehlte nie, seine Umgebung zu schockieren. Er war exzentrisch und galt bei den anderen Offizieren als ausgefallene Type. Er war groß und hager, hatte ein knochiges Gesicht und hinkte leicht. Alles in allem war er genauso, wie ein englischer Offizier nicht sein sollte.

  Als Malcolm nach Palästina kam, sympathisierte er mit den Arabern, weil das für einen britischen Offizier zum guten Ton gehörte. Doch diese Sympathien dauerten nicht lange. Innerhalb kurzer Zeit war aus P. P. Malcolm ein fanatischer Zionist geworden. Wie die meisten Christen, die sich für den Zionismus begeistern, war auch P. P. Malcolm ein wesentlich entschiedenerer und fanatischerer Anhänger dieser Idee als irgendein Jude. Er lernte bei einem Rabbi Hebräisch und verbrachte jede freie Minute damit, die Bibel zu lesen. Er war davon überzeugt, daß es Gottes Plan war, die Juden wieder zu einer Nation werden zu lassen. Er studierte sehr genau die Feldzüge, von denen die Bibel berichtet, und machte sich mit den Taktiken Josuas, Davids und Gideons vertraut, für den er sich besonders begeisterte. Schließlich war er überzeugt, daß seine Versetzung nach Palästina eine göttliche Fügung war. Er, P. P. Malcolm, war von Gott dazu ausersehen, die Kinder Israels auf dem Weg zu ihrem hohen Ziel anzuführen.

  Malcolm fuhr in einer alten Karre, die er billig beim Schrotthändler erworben hatte, kreuz und quer durch Palästina. Wo es keine Straßen gab, hinkte er mit seinem schief eingeschraubten Bein zu Fuß durch das Land. Er besuchte jedes Schlachtfeld aus biblischer Zeit, um die taktischen Begebenheiten an Ort und Stelle zu rekonstruieren.

  Die Leute wunderten sich oft, wieso man einen Mann wie Malcolm beim britischen Oberkommando duldete. General Charles, Kommandeur der Streitkräfte in Palästina, war sich ganz einfach darüber klar, daß Malcolm ein Genie war, einer dieser seltenen Rebellen mit völlig eigener Meinung, die es auch unter den Militärs gelegentlich einmal gab. Malcolm fand die englischen Handbücher über Kriegführung zum Lachen, hatte für die darin vertretenen strategischen Ansichten nur Verachtung übrig und hielt die gesamte englische Armee größtenteils für glatte Geldverschwendung.

  Eines Abends ließ P. P. Malcolm seinen Wagen stehen, als gleich zwei Reifen auf einmal keine Luft mehr hatten, und ging zu Fuß auf der Straße nach Yad El weiter. Als er die äußere Verteidigungslinie überschritt, kamen ein halbes Dutzend Posten auf ihn zu. Er lächelte, winkte mit der Hand und rief: »Gut gemacht, Jungs! Aber jetzt seid so nett und bringt mich zu Barak ben Kanaan.«

  Malcolm ging aufgeregt in Baraks Wohnzimmer hin und her. Sein

  Äußeres war noch stärker vernachlässigt als sonst. Eine geschlagene Stunde lang hielt er Barak ben Kanaan einen Vortrag über die Größe des Zionismus und den geschichtlichen Auftrag der hebräischen Nation. Schließlich sagte er: »Und jetzt sollen Sie hören, Ben Kanaan, was mich zu Ihnen geführt hat. Ich werde die Hagana übernehmen und daraus eine erstklassige Truppe machen. Ihr habt da das beste Rohmaterial, das mir jemals vor die Augen gekommen ist.« Barak blieb der Mund offen.

  Malcolm sah zum Fenster hinaus. Er sah die Wassersprüher, die sich auf den Feldern drehten, und in der Ferne konnte er Abu Yesha sehen, das unterhalb von Fort Esther am Hang lag.

  »Sehen Sie sich dieses Fort da oben an — Esther, wie ihr es nennt — ich nenne es Fort Sturheit. Die Araber brauchen weiter nichts zu tun, als einen Bogen darum zu machen. Die Engländer werden das nie lernen.«

  »Major Malcolm«, sagte Barak, »wollen Sie mir nicht verraten, was mir die Ehre Ihres Besuches verschafft?«

  »Es ist allgemein bekannt, daß Barak ben Kanaan gerecht und unparteiisch ist«, sagte Malcolm. »Offen gestanden, die meisten Juden reden zuviel. In meiner jüdischen Armee werden sie keine zehn Worte zu sagen haben. Das Reden besorge ich ganz allein.« »Davon haben Sie mich bereits durchaus überzeugt«, sagte Barak. »Hm«, brummte Malcolm und sah weiter zum Fenster hinaus. Dann drehte er sich plötzlich herum, und in seinen Augen brannte die gleiche Intensität, wie sie Barak oft bei seinem Bruder Akiba gesehen hatte.

  »Kämpfen!« rief Malcolm. »Das ist es, was wir tun müssen — kämpfen! Es geht um die jüdische Nation, Ben Kanaan, um den Gehorsam gegenüber der Vorsehung!«

  »Ich bin da mit Ihnen durchaus einer Meinung; man braucht mich darauf nicht erst aufmerksam zu machen.«

  »Doch, darauf muß man Sie aufmerksam machen — euch alle muß man darauf aufmerksam machen — solange ihr euch in euren Siedlungen verschanzt und darin bleibt. Wir müssen zu diesen Ungläubigen hingehen und sie züchtigen! Wenn ein Araber aus seinem Kaffeehaus herauskommt und aus einer Entfernung von tausend Metern blindlings einen Schuß auf eine jüdische Siedlung abgibt, dann hält er sich für einen tapferen Mann. Es ist an der Zeit, diesen finsteren Heiden auf den Zahn zu fühlen. Hebräer, das ist es, was ich brauche, hebräische Soldaten! Arrangieren Sie sofort, daß ich mit Avidan sprechen kann. Die Engländer sind zu dumm, um meine Methoden zu begreifen.«

  So plötzlich, wie dieser seltsame Mann in Yad El erschienen war, war er auch wieder verschwunden. P. P. Malcolm hinkte zum Tor hinaus, laut einen Psalm singend. Barak ben Kanaan sah ihm nach, strich sich über seinen Bart und schüttelte den Kopf.

  Etwas später rief er Avidan an. Sie sprachen Jiddisch miteinander, für den Fall, daß die Leitung a
ngezapft war.

  »Wer ist dieser Mann?« fragte Barak. »Er kam herein wie der Messias und fing an, mir eine Predigt über den Zionismus zu halten.«

  »Wir haben Berichte über ihn bei uns vorliegen«, sagte Avidan. »Ich muß Ihnen gestehen, der Mann ist so sonderbar, daß wir nicht wissen, was wir von ihm halten sollen.«

  »Ist er vertrauenswürdig?«

  »Wir wissen es nicht.«

  Major P. P. Malcolm verbrachte jetzt seine ganze freie Zeit mit Juden. Er äußerte unumwunden, die englischen Offiziere seien dumm und langweilig. Innerhalb weniger Monate war er bei allen Angehörigen des Jischuw eine bekannte Figur. Obgleich er in den höchsten Kreisen verkehrte, behandelten ihn die führenden Männer meist wie einen harmlosen Exzentriker. Man fand ihn sehr nett und nannte ihn »unseren verrückten Engländer«.

  Doch es stellte sich bald heraus, daß P. P. Malcolm keineswegs verrückt war. Bei Diskussionen im kleinen Kreis entfaltete er eine unerhörte Überredungsgabe. Mitglieder des Zentralrates, die bei ihm gewesen waren, gingen nach Haus und waren überzeugt, daß Malcolm sie verhext habe.

  Nachdem Malcolm fast sechs Monate lang mit irgendwelchen Ausreden hingehalten worden war, erschien er eines Tages unangemeldet in Ben Gurions Büro im Gebäude des Jischuw-Zentralrats in Jerusalem.

  »Hören Sie mal, Ben Gurion«, sagte er bissig, »Sie sind ein verdammter Idiot. Sie verschwenden Ihre ganze Zeit damit, sich mit Ihren Feinden zu unterhalten, und für einen Freund haben Sie keine fünf Minuten übrig.«