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Exodus Page 33


  Schließlich zeigte sich England seinen Wünschen geneigt. Das britische Empire erweiterte um die Jahrhundertwende seine Einflußsphäre im Nahen Osten. Den Engländern war daher sehr daran gelegen, die Gunst des Judentums zu gewinnen, um ihre eigenen Pläne weiter verfolgen zu können. Sie boten den Zionisten einen Teil der Halbinsel Sinai für die Ansiedlung jüdischer Einwanderer an. Bei diesem Vorschlag ging man von der mehr oder weniger stillschweigenden Unterstellung aus, daß dieses Gebiet sozusagen unmittelbar vor der Tür zu dem Gelobten Land lag, und daß diese Tür offenstehe, sobald die Engländer die Herren im Lande waren. Doch der ganze Plan war zu unbestimmt, und weil Herzl immer noch hoffte, einen Staatsvertrag für Palästina zu erreichen, ließ man die Sache fallen.

  Als weitere Versuche, zu einem Palästina-Vertrag zu gelangen, fehlschlugen, kamen die Engländer mit einem zweiten Vorschlag. Sie boten den Zionisten das afrikanische Territorium Uganda an. Da die Situation in Europa immer schwieriger wurde und Herzl die Überzeugung gewann, daß man eine provisorische Zuflucht schaffen müsse, um die Lage der Juden zu erleichtern, griff er den Vorschlag der Engländer auf und erklärte sich bereit, ihn dem nächsten Zionistenkongreß zu unterbreiten.

  Doch als Herzl dem Kongreß den Uganda-Plan vorlegte, stieß er auf heftige Opposition, deren Wortführer die russischen Zionisten waren. Sie lehnten ihn ab, weil sie in der Bibel keinen Hinweis auf Uganda finden konnten.

  Fünfundzwanzig Jahre unablässiger Pogrome in Rußland und in Polen hatten dazu geführt, daß die Juden jetzt zu Tausenden aus Osteuropa flohen. Um die Jahrhundertwende waren es fünfzigtausend, die den Weg nach Palästina gefunden hatten. Abdul Hamid II., der diese Einwanderer als Bundesgenossen der Engländer betrachtete, ordnete an, daß keine weiteren Juden aus Rußland, Polen oder Österreich ins Land durften. Doch die Dinge im Staate des Sultans waren »faul«, und die Bestechungsgelder der Zionisten hielten die Tür von Palästina für alle offen, die hineinwollten.

  Dies war die erste Aliyah-Welle des jüdischen Exodus!

  Doch während die Juden aus dem Exil in ihr Gelobtes Land zurückzukehren begannen, ereignete sich in der arabischen Welt etwas Neues. Nach Jahrhunderten der Unterjochung regte sich bei den Arabern eine schwelende, wachsende Unruhe, die den Beginn des arabischen Nationalismus ankündigte.

  Das zwanzigste Jahrhundert! Chaos im Nahen Osten! Zionismus! Arabischer Nationalismus! Niedergang der ottomanischen und Aufstieg der britischen Macht! Das alles brodelnd in einem riesigen Kessel, der irgendwann kochen und überlaufen mußte.

  Theodor Herzl vollendete seine Bahn mit der Leuchtkraft und der Schnelligkeit eines Kometen. Seit jenem Tag, an dem er Alfred Dreyfuß hatte rufen hören: »Ich bin unschuldig!« waren nur zehn Jahre verstrichen bis zu dem Tag, an dem er, vierundvierzigjährig, einem Herzschlag erlag.

  VII.

  Als die zionistische Bewegung aufkam, gehörten die beiden Brüder Rabinski in Palästina schon zur alten Garde. Sie kannten das Land in- und auswendig, und es gab kaum einen Beruf, in dem sie nicht gearbeitet hatten. Ihre Illusionen hatten sie fast samt und sonders eingebüßt.

  Jakob war ruhelos und bitter. Yossi versuchte, seinem Dasein ein gewisses Maß von Befriedigung abzugewinnen. Er wußte die relative Freiheit zu schätzen, die er genoß. Außerdem träumte er nach wie vor von dem Land im Hule-Tal, oberhalb von Safed.

  Jakob verachtete die Araber und die Türken. Er betrachtete sie genauso als Feinde wie in Rußland die Kosaken und die Gymnasiasten. Gewiß, die Türken duldeten nicht, daß man die Juden erschlug, doch alles andere, was man ihnen antat, schienen sie zu billigen. Manchen Abend und manche Nacht saßen Jakob und Yossi und diskutierten.

  »Es stimmt schon«, sagte Jakob, »wir sollten das Land rechtmäßig erwerben, indem wir es kaufen — doch woher bekommen wir die Leute, die den Boden bearbeiten, und wie sollen wir die Beduinen und die Türken dazu bringen, daß sie uns in Ruhe lassen?«

  »Leute, die den Boden bearbeiten, werden wir bekommen, sobald es mit den Pogromen wieder schlimmer wird«, antwortete Yossi. »Was die Türken angeht — die kann man kaufen. Und was die Araber angeht, so müssen wir lernen, Seite an Seite mit ihnen in Frieden zu leben. Das aber wird uns nur gelingen, wenn wir sie verstehen lernen.«

  Jakob zog die Schultern hoch. »Das einzige, was ein Araber versteht, ist das da.« Und er hob die Faust und schüttelte sie.

  »Du wirst eines Tages noch am Galgen enden«, sagte Yossi.

  Die beiden Brüder entfernten sich in ihren Ansichten immer weiter voneinander. Yossi hielt an seinem Wunsch nach friedlicher Verständigung fest, und Jakob hielt nach wie vor den offenen Angriff für das beste Mittel, sich gegen Ungerechtigkeit zu schützen. Kurz nach der Jahrhundertwende schloß sich Jakob einer Gruppe von fünfzehn jungen Männern an, die ein kühnes Wagnis unternahmen. Eine der von den reichen Wohltätern dotierten Stiftungen erwarb einen Zipfel Land hoch oben im Yesreel-Tal, einem Gebiet, in das sich seit Jahrhunderten kein Jude mehr gewagt hatte. Hier errichteten die fünfzehn Pioniere eine Farm, die der Ausbildung von Landwirten, und der Erprobung landwirtschaftlicher Methoden dienen sollte. Sie nannten die Neusiedlung Sde Tov — Feld der Güte. Ihre Lage war außerordentlich gefährlich, denn sie waren rings von arabischen Siedlungen umgeben und auf Gnade oder Ungnade den Beduinen ausgeliefert, die nicht davor zurückscheuten, einen Mord zu begehen, wenn es etwas zu erbeuten gab. Um 1900 gab es in Palästina rund fünfzigtausend Juden. Yossi fand etwas mehr Geselligkeit. Von denen, die vor den Pogromen geflohen waren, wollten die meisten nichts mit den landwirtschaftlichen Siedlungen, die sich mühsam am Leben hielten, zu tun haben. Sie waren zufrieden, sich als Händler oder Kaufleute in Jaffa niederlassen zu können. Einige siedelten sich auch in der kleinen Hafenstadt Haifa an. Es gab jedoch zu viele neue Einwanderer, als daß alle ihr Auskommen als Handeltreibende hätten finden können. Allzu viele unter ihnen besaßen nichts weiter als das, was sie auf dem Leib trugen. Und es dauerte nicht lange, bis man die Frage der Landgewinnung ziemlich eifrig zu erwägen begann.

  In einem schäbigen, heruntergewirtschafteten Hotel in Jaffa eröffneten die Zionisten ihr erstes Büro für den Ankauf von Land: die Zionistische Siedlungsgesellschaft. Auch die von Rothschild und Schumann ins Leben gerufenen Stiftungen gingen in verstärktem Maße daran, Land zu erwerben, um neue Siedlungen für die Heimkehrer zu errichten.

  Um die Mitte des Jahres 1902 setzte sich die Schumann-Stiftung mit Yossi Rabinski in Verbindung und bot ihm den Posten eines Aufkäufers an. Es gab keinen Juden, der das Land besser kannte als er, und er war für seinen Mut, sich in arabisches Gebiet hineinzubegeben, bekannt. Außerdem verfügte er über das erforderliche Geschick, mit den Türken fertigzuwerden, denn offiziell durften die Juden nur in sehr geringem Umfang Land erwerben; und wer mit den arabischen Großgrundbesitzern Geschäfte machen wollte, mußte schlau und gerissen sein.

  Yossi hatte einige Zweifel hinsichtlich der neuen Siedlungen. Von Spenden zu leben und Fellachen für sich arbeiten zu lassen, schien ihm nicht der richtige Weg zur Wiedergewinnung des Gelobten Landes; doch die Möglichkeit, Grund und Boden für die Juden zu erwerben, ließ ihn den Posten annnehmen.

  Für diesen Entschluß gab es auch noch andere Motive. Yossi bekam dadurch die Möglichkeit, seinen Bruder Jakob häufiger zu sehen. Außerdem konnte er jede Ecke des Landes kennenlernen. Und schließlich reizte ihn die Möglichkeit, das Gebiet jenseits von Rösch Pina, der letzten jüdischen Ansiedlung, zu bereisen, um das Hule-Tal bei Abu Yesha wiederzusehen.

  Yossi war wirklich ein prächtiger Anblick, wenn er auf seinem weißen Araberhengst angeritten kam. Er war jetzt ein Mann von dreißig Jahren, groß, hager und muskulös. Sein roter Bart stach leuchtend gegen das Weiß des Mantels und die arabische Kopfbedeckung ab, die er trug. Über seine Brust liefen Patronengurte, und an seiner Seite hing ein lederner Ochsenziemer, wenn er durch die Hügel von Samaria, über die Ebene von Scharon und weit hinein nach Galiläa ritt, auf der Suche nach Land.

  Überall in Palästina befand sich das Land größtenteils im Besitz einer kleinen Gruppe mächtiger Familien arabischer Großgrundbesitzer. Sie überließen da
s Land den Fellachen gegen eine Pacht, die die Hälfte oder sogar drei Viertel der gesamten Ernte betrug, aber sie taten nicht das geringste für diese armen Schlucker. Yossi und die Aufkäufer der anderen Gesellschaften konnten Land nur zu unerhört hohen Preisen erwerben. Die Großgrundbesitzer verkauften den Juden nur die wertlosesten Grundstücke und unfruchtbare Sümpfe. Sie hielten es für ausgeschlossen, daß man mit diesem Land jemals etwas anfangen konnte; gleichzeitig aber war ihnen das »hebräische Gold« außerordentlich willkommen.

  Yossi ritt häufig durch das Gebiet jenseits der letzten jüdischen Siedlung, Rösch Pina, und oft besuchte er dabei Kammal, den Muktar von Abu Yesha. Die beiden Männer wurden Freunde. Kammal, der einige Jahre älter war als Yossi, stellte eine seltene Ausnahme unter den arabischen Großgrundbesitzern dar. Die meisten Effendis lebten nicht auf ihren Ländereien, sondern in Orten, wo man sich amüsieren konnte, wie in Beirut oder Kairo. Bei Kammal war das anders. Ihm gehörte alles Land in und um Abu Yesha, und hier herrschte er als absoluter Monarch. Als junger Mann hatte er die Tochter eines armen Fellachen geliebt. Das Mädchen litt an der ägyptischen Augenkrankheit, doch Kammals Vater hatte nicht auf die Bitten seines Sohnes gehört, dem Mädchen ärztliche Hilfe angedeihen zu lassen. Kammals Vater war der Meinung, daß sich sein Sohn vier Frauen und so viele Konkubinen leisten konnte, wie er nur wollte. So sah er nicht ein, weshalb man sich wegen einer armseligen Fellachin Sorgen machen sollte. Das Mädchen wurde blind und starb vor ihrem achtzehnten Geburtstag.

  Dieses Erlebnis brachte Kammal dazu, Widerwillen gegen die Anschauungen seiner eigenen Kaste zu empfinden. Der Verlust hatte ihn so tief getroffen, daß sich in der Folge bei ihm so etwas wie ein soziales Gewissen entwickelte. Er ging nach Kairo, nicht um sich in das Nachtleben dieser Stadt zu stürzen, sondern um Kenntnisse über fortschrittliche Methoden der Landwirtschaft, sanitäre Einrichtungen und Gesundheitspflege zu erwerben. Als sein Vater starb, kehrte er nach Abu Yesha zurück, entschlossen, hier unter den Menschen zu leben, für die er verantwortlich war, und ihre unwürdigen Lebensbedingungen zu verbessern.

  Doch er kämpfte auf verlorenem Posten. Die Türken waren nicht bereit, im Dorf eine Schule zu bauen oder irgend etwas für die Verbesserung der sanitären Verhältnisse zu tun. Die Zustände im Dorf waren kaum anders, als sie vor tausend Jahren gewesen waren. Besonders schmerzlich war es für Kammal, daß es ihm nicht möglich war, das Wissen, das er erworben hatte, seinen Dorfbewohnern zugänglich zu machen. Sie waren so naiv und rückständig, daß sie einfach nichts begriffen. Zwar stand es in Abu Yesha, seit Kammal hier Muktar geworden war, besser als in irgendeinem anderen arabischen Dorf in Galiläa; doch die Verhältnisse waren noch immer primitiv.

  Kammal fand es seltsam, daß jetzt plötzlich so viele Juden nach Palästina kamen, und da er dahinterkommen wollte, was das zu bedeuten hatte, pflegte er bewußt freundschaftlichen Umgang mit Yossi Rabinski.

  Yossi versuchte, Kammal dazu zu bewegen, ihm ein Stück Land, das nicht kultiviert werden sollte, zu verkaufen, um eine jüdische Siedlung zu errichten; doch Kammal hatte Bedenken. Er fand diese Juden verwirrend. Er wußte nicht, ob man ihnen trauen konnte; denn zweifellos waren nicht alle so wie Yossi Rabinski. Außerdem wollte er nicht der erste Effendi sein, der im Hule-Tal Land verkaufte.

  Wie Kammal von Yossi lernte, so lernte auch Yossi von Kammal. Bei aller Aufgeklärtheit war Kammal durch und durch Araber. Er hatte drei Frauen, von denen er niemals sprach, denn für einen Araber war die Frau nicht viel mehr als eine Sklavin. Kammal war stets gastfreundlich und höflich, doch wenn es ans Handeln ging, konnte er sehr hart sein. Gelegentlich bat er Yossi sogar um Rat in irgendeiner Sache, bei der es sich ausgesprochen darum handelte, jemanden übers Ohr zu hauen; doch das erschien dem Araber völlig legitim.

  Durch Kammal erfuhr Yossi Rabinski vieles über die ruhmreiche und tragische Geschichte des arabischen Volkes. Er hörte von dem kometenhaften Aufstieg des Islam, von der Zeit, da Bagdad und Damaskus kulturelle Zentren gewesen waren wie einst Athen, von den Kriegen zwischen den Mohammedanern und den Kreuzrittern und von den Einfallen der Mongolen.

  Die Araber hatten ihre Kräfte in endlosen Kämpfen erschöpft, bis schließlich der Glanz ihrer ruhmvollen Städte erloschen und die blühenden Oasen verfallen und versandet waren. Sie wandten sich mehr und mehr gegen sich selbst, in erbitterten Kämpfen, in denen Bruder gegen Bruder stand. So waren sie nicht mehr fähig, den letzten vernichtenden Schlag abzuwehren, den diesmal die eigenen Glaubensgenossen gegen sie führten. Die mächtigen Ottomanen eroberten das Land der Araber, und es folgten fünf Jahrhunderte des Feudalismus und der Korruption. Ein Tropfen Wasser wurde in der unfruchtbaren Wüste wertvoller als Gold und Spezereien. Das Leben wurde zu einem unablässigen, erbitterten Kampf um die nackte Existenz. Die arabische Welt, in der es kein Wasser mehr gab, zerfiel und versank im Dreck. Seuchen brachen aus, und überall herrschten Unwissenheit und Armut. In dieser Welt waren Betrug, Verrat, Mord und Blutrache an der Tagesordnung. Die grausame Wirklichkeit zwang den Araber zu einer Verhaltensweise, die Außenstehenden unverständlich war.

  Für Yossi Rabinski hatte die Vielseitigkeit des arabischen Charakters etwas Faszinierendes. Stundenlang konnte er in Jaffa in den Läden stehen und den Arabern zusehen, die endlos feilschten und sich dabei laut beschimpften. Er sah, daß die Lebensart der Araber einem Schachspiel glich. Jeder Zug erfolgte mit hinterhältiger Schläue, die darauf ausging, den Partner zu überlisten.

  Bei seinen Expeditionen für den Landkauf wurde Yossi mit den skrupellosen Methoden der Araber vertraut. Doch wenn er das Heim eines Arabers betrat, war er stets von neuem beeindruckt von ihrer nicht zu überbietenden Gastfreundlichkeit. Habgier und Genußsucht, Haß und Schläue, Hinterlist und Gewalt, Freundlichkeit und Wärme — sie alle waren Bestandteile des phantastischen Gemischs, das den arabischen Charakter für den Außenseiter zu einem erstaunlichen Rätsel machte.

  Jakob blieb nicht lange in Sde Tov. Die Versuchsfarm war ein Fehlschlag gewesen. In seinem Innern sah es nicht anders aus als vorher, und er wanderte weiter ruhelos durch das Land, auf der Suche nach dem Platz, an den er gehörte.

  Im Jahre 1905 brach in Rußland die Revolution aus, die schon lange geschwelt hatte. Sie wurde niedergeschlagen. Doch die mißglückte Revolution war das Signal für neue Pogrome, die so grauenhaft waren, daß sich die ganze zivilisierte Welt entsetzte. Mehrere hunderttausend Juden verließen Rußland. Die meisten gingen nach Amerika, einige kamen nach Palästina.

  Die Juden, die jetzt in das Gelobte Land kamen, gehörten einer neuen Generation an. Sie waren nicht geflohen wie die beiden Brüder Rabinski, und sie hatten auch nicht die Absicht, hier Handel zu treiben. Es waren junge Leute, geschult im Geist des Zionismus, voller Idealismus und fest entschlossen, das Land zu erschließen.

  Das Jahr 1905 brachte die zweite Aliyah-Welle des Exodus.

  VIII.

  Den Idealismus, der bisher in Palästina gefehlt hatte, brachte die zweite Aliyah-Welle. Die neuen Einwanderer waren nicht damit zufrieden, Kaufleute in Jaffa zu sein, und sie hatten auch nicht die Absicht, von milden Gaben ihrer Glaubensgenossen zu leben. Sie waren erfüllt von der Mission, das Land zurückzugewinnen.

  Sie machten sich in Gruppen zu dem Land auf, das die Effendis verkauft hatten, und versuchten, die sumpfigen Böden zu entwässern. Es war eine harte Arbeit. Für viele von der alten Garde war es einfach unvorstellbar, daß Juden wie die Fellachen auf den Feldern arbeiten sollten. In Palästina hatten sie die Aufseher gespielt, und dort, wo sie hergekommen waren, hatten sie mit der Feldbestellung überhaupt nichts zu tun gehabt. Von allem, was die zweite Aliyah-Welle brachte, war der wertvollste Beitrag die Entschlossenheit der Menschen, selbst Hand anzulegen und den Boden durch eigene Arbeit zu erobern. Durch ihren Wortführer, A. D. Gordon, erhielt die Arbeit ihre Würde. Gordon war ein älterer Mann und ein Wissenschaftler; doch er verzichtete auf seine Wissenschaft um der größeren Aufgabe willen, den Boden mit seinen eigenen Händen zu bearbeiten.

  Jakob war begeistert. Er brach abermals auf, um auf einer Versuchsfarm in Galiläa mitzuarbeiten. Auf dieser Farm namens Chedera war
des Staunens kein Ende, als sich die jungen Juden der zweiten Aliyah-Welle an die Arbeit machten. Eines Tages kam Jakob nach Jaffa, um mit Yossi zu sprechen. Er war voller Eifer für eine neue Idee, und er sprach davon mit der leidenschaftlichen Begeisterung, die ihm eigen war.

  »Dir ist ja bekannt«, sagte er, »daß sich die Beduinen der Erpressung bedienen, um unsere Siedler zu veranlassen, sie als Wächter zu engagieren — als Schutz gegen sie selbst. Nun, dasselbe versuchten sie auch in Chedera. Sie drohten, alles mögliche zu tun, falls wir sie nicht anstellten. Aber wir haben ihnen den Gefallen nicht getan und uns unserer Haut sehr gut gewehrt. Eine Zeitlang war die Lage für uns ziemlich kritisch, doch dann lockten wir sie in eine Falle, erschlugen den Anführer der Bande, und seitdem haben sie sich bei uns nicht mehr sehen lassen.«